Offener Boden

Offene oder schütter bewachsene Bodenstellen sind in unserer Landschaft nur sehr selten zu finden (Ackerflächen fallen hier aus, da sie bewirtschaftet werden). Natürlicherweise können sie in unserer Region in dynamischen Flussauen durch Bodenumlagerungen oder auf Binnendünen durch Verwehungen entstehen. Auch die Trittwirkung von schweren Weidetieren wie Pferde oder Rinder kann zur Entstehung von Rohbodenpartien beitragen. Bedeutender sind heute allerdings oft Vorkommen in Sekundärlebensräumen wie Abgrabungen, militärisch genutzten Bereichen oder auf unbefestigten Wegen.

Lebensraum

Rohboden hat für viele Insektenarten eine besonders große Bedeutung als Nistplatz oder Gesamtlebensraum und der Mangel dieser Ressource führt zur Gefährdung eben dieser Spezialisten. Besonders unter den Stechimmen, zu denen auch Wildbienen, Grabwespen oder Wegwespen gehören, finden sich zahlreiche Arten, die Brutkammern für ihre Nachkommen in den Boden graben. Viele Arten bevorzugen dazu Rohbodenflächen, auf denen der Boden nur wenig bewachsen und der Boden nur schwach durchwurzelt ist. Allein etwa 70% der etwa 280 in Ostwestfalen-Lippe vorkommenden Wildbienenarten nisten unterirdisch oder leben parasitisch als Kuckucksbienen bei unterirdisch nistenden Arten. Viele Grabwespenarten legen ihre Bodenkammern ebenfalls gerne auf Rohbodenflächen an, sie verproviantieren ihre Brutzellen allerdings mit tierischer Nahrung. So gibt es Arten, die nur bestimmte Fliegen erbeuten, andere haben sich z.B. auf Schmetterlingsraupen, Heuschrecken spezialisiert. Auch Käfer wie der Dünen-Sandlaufkäfer, Heuschrecken wie die Blauflügelige Ödlandschrecke oder etwa die Larven von Ameisenjungfern besiedeln Rohbodenbereiche.

Erhöhung des Rohbodenanteils

Da Rohboden heute vielfach fehlt, hat sich die Erhöhung des Rohbodenanteils als besonders wirksame Maßnahme zur Förderung von Insekten herausgestellt. Rohboden muss etwa zur Befriedigung der Nistplatzansprüche bodennistender Wildbienen nicht großflächig vorhanden sein. Schon kleinere offene Bodenstellen von wenigen Quadratmetern sind für viele Arten ausreichend. Die Schaffung von Rohboden kann folglich sowohl großflächig durch flaches Abziehen mit dem Bagger oder mit deutlich weniger Aufwand auch manuell und kleinflächig erfolgen, indem mit Spaten und Schaufel einfach etwas Vegetation abgetragen und der Bereich dann sich selbst überlassen wird.
Auch in Gärten kann die Schaffung und/oder Erhaltung eines kleinen Rohbodenanteils als Nistplatz durchaus Sinn machen. Dazu kann man einen rohliegenden Bereich im Beet einfach liegen lassen und bei der Bearbeitung aussparen. Auch die Zwischenräume der Bepflanzung in den Beeten können Erdnistern als Nistplatz dienen, sofern sie nicht zur Bekämpfung von unerwünschten Krautpflanzen regelmäßig durchgehakt werden. Ein vorsichtiges Ziehen junger Pflanzen lässt die im Boden vorhandenen Brutzellen oftmals unversehrt zurück.

Anlage von Nistplätzen für erdnistende Arten

Neben der generellen Erhöhung des Rohbodenanteils können auch gezielt Nistplätze für erdnistende Arten neu geschaffen werden. Solche künstlich angelegten Nistplätze werden manchmal als „Sandarien“ bezeichnet, da sie allerdings häufig deutlich mehr Strukturen bieten, als reine Sandflächen und das Substrat auch Löss, Lehm oder sogar Schotter und Grobgestein enthalten kann, sprechen wir hier eher von Nistplätzen für Erdnister.

Der Wahl eines geeigneten Standortes kommt eine große Bedeutung zu. Die Fläche muss langfristig für Erdnister zur Verfügung stehen und durch die Neuanlage sollten natürlich keine wertvollen Bereiche (Wuchsbereiche seltener Pflanzenarten, wertvolle Blühaspekte, Nistplätze) beeinträchtigt oder zerstört werden. Wichtig ist zudem eine gute Besonnung, auf die viele Insektenarten angewiesen sind. Der Bereich sollte keine Staunässe aufweisen, nicht durch Überschwemmung bedroht und nach Möglichkeit nicht zu gut mit Nährstoffen versorgt sein. Nährstoffreiche Bereiche können allerdings durch die Einbringung nährstoffarmer Substrate abgemagert werden. Direkte Nähe zu schnell fließendem Verkehr oder mit Pestiziden behandelten Kulturpflanzen sollte gemieden, die Nähe zu Nektar- und Pollenquellen hingegen gesucht werden. Das Nektar- und Pollenangebot kann im Umfeld von neuangelegten Nistplätzen für Erdnister natürlich auch gezielt gefördert oder entwickelt werden. Optimal ist direkte Nachbarschaft von Nistplatz zu Nektar- und Pollenquelle oder eine Distanz von unter 100 Metern, die auch Arten mit kleinen Flugradien eine Ansiedlung ermöglichen. Da die Fläche später relativ frei von Vegetation bleiben soll, ist außerdem die direkte Nähe zu Pflanzen mit großem Ausbreitungspotenzial (z.B. Brombeere) oder ein starker Falllaubeintrag eher ungünstig.

Zur Anlage der Nistplätze sollten geeignete Baumaterialien ausgewählt werden. Zur Einfassung und Modellierung der Rohbodenpartien bietet sich grobes Gestein (z.B. Kalk- oder Sandstein) an, das geologisch zum Standort der Erdnisterfläche passt. Durch den Einsatz von Grobgestein können Erdnisterflächen auch terrassiert oder auf verschiedenen Höhenniveaus angelegt werden, was zu einer stärkeren Ausdifferenzierung von Mikrohabitaten (z.B. hinsichtlich der Feuchtigkeitsversorgung) beitragen kann. Die verwenden Substrate selbst sollten feinkörnig sein und auch bindige Anteile aufweisen. Geeignet sind: ungewaschener, feinkörniger Natursand, Schlemmsand, Schluff, Löss. Das Material sollte möglichst wenig gröbere Anteile und Steinchen enthalten. Gute Hilfe bei der Substratwahl bietet die Broschüre „Erdnistende Wildbienen“ von www.wildbee.ch.

Wichtiges Ziel der späteren Pflege der Fläche ist die Offenhaltung. Ein lückiger Bewuchs ist noch unproblematisch, für die Besiedelung sogar förderlich, wird die Vegetation allerdings zu dicht, sollte ein Teil der auflaufenden Pflanzen durch vorsichtiges Ziehen mit samt der Wurzeln wieder entfernt werden. Ein Hacken oder tiefgreifende Jäten der Fläche ist kontraproduktiv, da die Brutkammern vieler Erdnister nicht weit von der Oberfläche entfernt liegen und dabei in größerem Umfang zerstört werden können. Ein guter Zeitraum für die schonende Entfernung von unerwünschter Vegetation ist die kalte Jahreszeit, außerhalb der Aktivitätszeit der Innsekten. Natürlich sollten keine Pestizide eingesetzt und die Fläche auch nicht befahren werden. Ein vorsichtiges Begehen ist für die meisten Arten hingegen unproblematisch.

Beim eigentlichen Bau der Nistplätze können nährstoffreiche Bodenpartien oder Bereiche mit problematischen „Wurzelunkräutern“ (z.B. Giersch) vorab in einer Tiefe von 20-30 cm abgetragen werden, bevor die Flächen durch Einfassungen mit Grobgestein modelliert werden. Bei der Gestaltung kann sich die Kreativität frei entfalten. Von einer sehr naturnahen Anlage bis hin zu künstlerischen oder geometrischen Erscheinungsbildern ist alles denkbar. Die Gestaltungsform hat keine Auswirkungen auf die Funktion.

Das Bodensubstrat sollte angefeuchtet und kompakt verarbeitet werden. Es wird Schicht für Schicht bis in eine Stärke von 30-50 cm aufgetragen und zumindest in Abschnitten jeweils durch feststampfen verdichtet. Andere Bereiche können auch locker aufgetragen werden. Vielfalt im Strukturangebot fördert Vielfalt in der Besiedlung. Nach unten sollte das Substrat Kontakt zum gewachsenen Boden haben, also nicht auf einer verdichteten Schotterschicht aufgetragen werden. Die Flächen können zudem durch Schotter mit Nullanteil (bepflanz- bzw. besiedelbar für Pflanzen magerer Standorte), Schüttungen aus Grobgestein (s. Kap. Trockenmauern und Steinriegel) und Totholz (s. Kap. Totholz) gestaltet, gegliedert und weiter aufgewertet werden.

Wichtig!

Folgende Punkte sind bei der Anlage besonders zu beachten:

  • Wahl eines geeigneten Standortes
  • Wahl geeigneter Baumaterialien
  • Fachgerechte Flächenpflege

Gartenwege/Pflaster

Auch Wege und Flächen der Täglichen Nutzung können für erdnistende Insekten interessanter gestaltet werden. Nicht immer muss der Weg durch den Rasen oder das Beet mit Trittplatten ausgelegt werden. Ein simpler Trampelpfad bietet den Insekten offenen und ausreichend festen Boden für die Anlage ihrer Brutröhren. Die oberflächliche Belastung durch den Tritt ist dabei vernachlässigbar. Nur sollten wie beim Rohboden für das frei halten keine groben mechanischen Geräte, erst recht nicht in regelmäßigen kurzen Abständen, zum Einsatz kommen.

Auch Pflasterflächen können für Insekten aufgewertet werden. Pflaster mit großen Fugen oder gar Rasengittersteinpflaster eignen sich gut für eine natürliche Spontanansiedlung oder Einsaat niedriger, robuster Pflanzen wie Berg- oder Felsen-Steinkraut, Sedum-Arten oder Sand-Thymian, die den Insekten als Nahrungsquelle dienen.
Auch können die Fugen derartig angelegter Pflasterflächen, zumindest teilweise, offengehalten werden, um erdnistenden Arten weitere Möglichkeiten zu bieten. Manche Arten graben bis zu einem Dreiviertel Meter tiefe Bruthöhlen. Daher ist zu beachten, dass die Insekten tief genug eindringen können, was bedingt, dass man den Oberbau anpassen muss. Bei einem herkömmlichen Oberbau ist für die Insekten schon bei der Splittbettung, ggf. sogar schon bei zu grobem Fugenmaterial Schluss.

Für Fußwege und Flächen für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen (max. Pkw) kann mit einer Verdoppelung der Mächtigkeit der Tragschicht, diese durch Sand ersetzt werden, solange der Untergrund entsprechend durchlässig ist. Heutigen Baustandards entspricht das zwar nicht mehr, wäre aber gerade im fußläufigen Bereich durchaus eine Möglichkeit diese Flächen teilweise wieder verfügbar zu machen.

Eine weitere Idee besonders im befahrenen Bereich ist der Einsatz von Geozellen. Deren eigentlicher Sinn es ist, die herkömmliche Tragschichtbauweise in ihrer Mächtigkeit reduzieren zu können. Dabei handelt es sich um eine flexible Wabenstruktur die im befüllten und verdichteten Zustand die Reib-, Scher- und Druckkräfte in sich abfängt. Darüber wird ganz gewöhnlich Bettung und Pflasterung erstellt.

Wichtig ist hierbei durchgängig ein steinfreies Material zu verwenden, welches auch nicht zu ton- und schluffhaltig ist. Ton und Schluff (= Korngrößen feiner als Sand) erhöhen die Wasserhaltefähigkeit und verringern dadurch wiederum die Frostresistenz, was in Kälteperioden zu ärgerlichen Schäden führen kann. Des Weiteren ist ein gleichbleibendes Material auch für die Filterstabilität wichtig, also zur Vermeidung von Auswaschungen feinerer Anteile in die unteren Schichten. Außerdem muss die Tragschicht wie sonst auch lagenweise verdichtet werden.

Die beschriebenen Bauweisen mit Sand als Tragschichtmaterial bieten auch noch einen weiteren Vorteil für die Natur allgemein: Die Flächen sind nicht, oder wenigstens nur zum Teil, versiegelt. Das kommt dem örtlichen Boden, dem Grundwasser und dem Entwässerungssystem welches entlastet wird, zugute.